Steuerberater online: Steuermindernde Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Einkommensteuer nicht verfassungswidrig
Steuerberater online: Steuermindernde Berücksichtigung der Kirchensteuer bei der Einkommensteuer nicht verfassungswidrig
In seinem Urteil vom 15. September 2015 lehnt das Finanzgericht Münster die steuerliche Gleichbehandlung von Konfessionslosen mit Kirchenmitgliedern durch Berücksichtigung einer „fiktiven Kirchensteuer“ ab. Ein Steuerpflichtiger, der keiner Kirche angehört, ist somit nicht aus Billigkeitsgründen zum Sonderausgabenabzug für fiktive Kirchensteuerbeträge berechtigt.
Was ist Kirchensteuer?
Kirchensteuer ist eine Steuer, die Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften von ihren Mitgliedern zur Finanzierung der Ausgaben der Gemeinschaft erheben können. Die Bemessungsgrundlagen für die Kirchensteuer sind die
Einkommensteuer und die Grundsteuer; es handelt sich bei der Kirchensteuer also wie beim
Solidaritätszuschlag um eine sogenannte „Annexsteuer“, die an eine andere Steuer anknüpft. Der Kirchensteuersatz beträgt in Bayern und Baden-Württemberg acht Prozent, in den übrigen Bundesländern neun Prozent der Einkommenssteuerschuld. Bei pauschaler Abführung der Lohnsteuer durch den Arbeitgeber, z.B. bei
geringfügiger Beschäftigung, wird auch pauschal Kirchensteuer berechnet, unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer tatsächlich Kirchenmitglied ist. Der Prozentsatz liegt hierbei je nach Bundesland zwischen vier und sieben Prozent. Auch auf die
Kapitalertragsteuer entfällt
Kirchensteuer.
In Deutschland wird die Kirchensteuer auf die Lohnsteuer von den Finanzämtern der jeweiligen Länder eingezogen, die dafür eine Aufwandsentschädigung einbehalten. Als Entgelt für den Einzug der Kirchensteuer werden je nach Land zwischen zwei und viereinhalb Prozent, in der Regel drei Prozent, des Kirchensteueraufkommens einbehalten.
Wer ist kirchensteuerpflichtig?
Kirchensteuerpflichtig ist, wer einer Kirche oder Glaubensgemeinschaft angehört, die Kirchensteuer erhebt. In Deutschland sind dies vor allem die römisch-katholische und die evangelische Kirche. Die Mitgliedschaft entsteht in der Regel durch eine Taufe. Durch eine Austrittserklärung erlischt die Mitgliedschaft und folglich die Steuerpflicht. Mitglieder anerkannter Religionsgemeinschaften können ihre gezahlte Kirchensteuer oder andere Beiträge an die Kirche als Sonderausgaben von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen.
Wer erhebt Kirchensteuer?
Die rechtlichen Voraussetzungen für Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften zur Erhebung von Steuern sind:
1. die Anerkennung der Gemeinschaft als Körperschaft des öffentlichen Rechts;
2. Steuerbeschlüsse der zuständigen Leitungsgremien;
3. die Zustimmung der jeweiligen Parlamente der Bundesländer zu den Steuergesetzen der entsprechenden Gemeinschaften;
4. die Mitgliedschaft der steuerpflichtigen Person in der Gemeinschaft.
Derzeit machen folgende Gemeinschaften von der Möglichkeit des Kirchensteuereinzugs durch staatliche Organe Gebrauch:
• die Gliedkirchen der Evangelischen Kirche in Deutschland,
• die Bistümer der Römisch-Katholischen Kirche,
• das Bistum der Alt-Katholiken,
• die Freireligiösen Gemeinden,
• die Unitarische Religionsgemeinschaft Freie Protestanten,
• jüdische Gemeinden.
Steuerabzug bei nicht Kirchensteuer erhebenden Gemeinschaften
Erhebt eine religiöse oder weltanschauliche Gemeinschaft keine Kirchensteuer, obwohl sie dazu berechtigt wäre, sind Zuwendungen der Mitglieder an die Gemeinschaft in derselben Höhe wie Kirchensteuern absetzbar, d.h. bis zur Höhe von acht bzw. neun Prozent der Einkommensteuerschuld. Sind die Zuwendungen höher, ist der übersteigende Betrag als
Spende abzugsfähig. Voraussetzung dafür ist, dass die geleisteten Beiträge mit einer Empfangsbestätigung der Gemeinschaft nachgewiesen werden. Es genügt, wenn diese Gemeinschaft in mindestens einem Bundesland als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt ist.
Das aktuelle Urteil des Finanzgerichts Münster
Im kürzlich entschiedenen Fall war der Kläger der Ansicht, die steuermindernde Berücksichtigung der Kirchensteuer sei verfassungswidrig und verstoße gegen Artikel 3 des Grundgesetzes, wonach niemand wegen seiner religiösen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden dürfe. Der Kläger ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, erzielte im Streitjahr
Einkünfte aus Gewerbebetrieb,
selbständiger Tätigkeit,
nichtselbständiger Tätigkeit sowie aus
Vermietung und Verpachtung und gehört keiner Religionsgemeinschaft an. Da sich der Kläger bei der Veranlagung zur Einkommensteuer gegenüber Kirchenmitgliedern benachteiligt sah, weil diese ihre Kirchensteuerzahlungen als Sonderausgaben abziehen können, beantragte er, sein zu versteuerndes Einkommen um eine fiktive Kirchensteuer in Höhe von neun Prozent der festgesetzten Einkommensteuer als Sonderausgabe zu mindern.
Das Finanzamt lehnte seinen Antrag mit der Begründung, dass sich eine Unbilligkeit aus persönlichen Gründen dem Antrag nicht entnehmen lasse, ab. Auch eine sachliche Unbilligkeit liege nicht vor, da vom Gesetzgeber ausdrücklich die Begünstigung anerkannter Religionsgemeinschaften aus kirchenpolitischen und sozialpolitischen Erwägungen gewollt sei. Das Finanzgericht Münster wies die Klage ebenfalls ab.
Urteilsbegründung des Finanzgericht Münster
Zum einen liege in der Versagung des fiktiven Kirchensteuerabzugs keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung, da der Abzug der Kirchensteuer zulässig und nach Auffassung des Senates sachlich gerechtfertigt sei. Zum anderen seien als Sonderausgaben nur tatsächliche Aufwendungen abzugsfähig. Im Gegensatz zu kirchenangehörigen Steuerpflichtigen habe der Kläger aber weder Kirchensteuern noch vergleichbare Zahlungen geleistet.
Unabhängig davon sei eine steuerliche Begünstigung von Kirchenbeiträgen an anerkannte Religionsgemeinschaften sachlich gerechtfertigt, zumal die Kirchen Zwecke verfolgten, die als förderungswürdig im steuerlichen Sinne anzusehen seien.